Quo vadis DVB-T?

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Es ist still geworden um das digitale Antennenfernsehen DVB-T. Gegenüber Satellit und Kabel wirkt es mit begrenztem Programmangebot, fehlendem HDTV oder gar 3D-Fernsehen etwas blass. Ein Gastbeitrag von Roland M. Stehle

DVB-T_Logo Seit Ende 2008 ist die TV-Terrestrik in Deutschland vollständig digitalisiert. Die Zahlen sind nicht gerade berauschend, das Umfeld ebenfalls: Seit Anfang 2012 zeichnet sich ab, dass die Zukunft der Terrestrik zunehmend in Frage gestellt wird. Auf der Weltfunkkonferenz WRC wurden die Weichen für die gleichberechtigte Nutzung von weiteren Rundfunkfrequenzen im UHF-Spektrum für Mobilfunk gestellt. Sollte dieses Modell auch für Deutschland greifen, könnte dies erhebliche Einschränkungen für die Nutzung der Terrestrik durch die TV-Sender bedeuten. Nach der bereits erfolgten Umsetzung der Digitalen Dividende wäre eine weitere Frequenzumverteilung die Folge. Was wird also aus der terrestrischen Übertragung in Deutschland?

Status quo

Obwohl die terrestrische TV-Übertragung in Deutschland (DVB-T) im Umfeld der Analogabschaltung Haushalte dazugewinnen konnte und zum 30.6.2012 bei einer Reichweite von 2,0 Millionen (Ende 2011: 1,8 Millionen Haushalte) lag, stehen einige Fragezeichen dahinter. In einigen Regionen sind die privaten Programmanbieter bereits ausgestiegen, in anderen Regionen kamen neue Sender hinzu. RTL beispielsweise will seine Beteiligung an DVB-T auf den Prüfstand stellen, wenn die Verträge Ende 2014 auslaufen. Die terrestrischen Frequenzen sind zudem für den Mobilfunk heiß begehrt. DVB-T ist nicht für HDTV geeignet, dafür müsste die Variante DVB-T2 eingeführt werden, die wiederum nicht rückwärts kompatibel ist. Alle DVB-T-Zuschauer müssten sich dafür neue Empfänger zulegen. Nachdem sich die ARD am 12. September zur Terrestrik geäußert hat, versuchen wir eine Standortbestimmung.

Der Standpunkt der ARD

Die ARD strebt den Erhalt der terrestrischen Fernsehausstrahlung an. DVB-T sei wesentlich für die universelle Verfügbarkeit und freie Empfangbarkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkinhalte, teilte die ARD mit. Ein künftiges Nachfolgesystem für DVB-T müsse als Hybridsystem mit besonderer Eignung sowohl für den portablen als auch den mobilen Empfang ausgelegt sein. Für die lineare Verbreitung über DVB-T2 soll eine HD-Bildqualität ermöglicht werden, um die technische Entwicklung angemessen zu berücksichtigen und die Marktfähigkeit zu sichern. Insgesamt ist für den Markterfolg auch die Verfügbarkeit privater Programme in der Terrestrik zwingend erforderlich. Deshalb ist die ARD gespannt, wie sich die privaten Rundfunkanbieter dazu positionieren. Die Programme der ARD sollen auch zukünftig unverschlüsselt übertragen werden, heißt es in der Pressemitteilung. Aufgrund der Verträge für das bestehende DVB-T-Sendernetz und der in der Vergangenheit geleisteten Investitionen komme ein Einstieg der ARD in DVB-T2 frühestens im Zeitraum 2016 – 2018 in Betracht, hieß es. Der damit verbundene Übergang von DVB-T nach DVB-T2 ist mit dem Ziel einer Kostenersparnis verbunden.

DVB-T2 kann auch HDTV

Im Rahmen der Pressekonferenz der Deutschen TV-Plattform am Eröffnungstag der IFA wurde der Abschlussbericht des „DVB-T2 Modellversuchs Norddeutschland“ vorgestellt. Primäres Ziel des Modellversuchs sei es gewesen, die relevanten Parametersätze für eine mögliche Einführung dieses Systems in Deutschland zu identifizieren und damit eine Entscheidungshilfe für eine mögliche DVB-T2-Einführung in Deutschland zu liefern. Der Bericht benennt aber auch die frequenztechnischen, wirtschaftlichen und medienpolitischen Rahmenbedingungen einer möglichen Einführung von DVB-T2 in Deutschland. Er kommt abschließend zu dem Ergebnis, dass das System DVB-T2 technisch voll ausgereift und entsprechend marktfähig ist. Bei einer für Deutschland relevanten Parameterwahl ermöglicht DVB-T2 eine Steigerung der in einem Übertragungskanal verfügbaren Datenrate um etwa 50 Prozent im Vergleich zu DVB-T. Dazu skizziert der Bericht die für eine mögliche Markteinführung in Deutschland denkbaren Diensteszenarien und Parametersätze. Ende September hat der Bayerische Rundfunk einen DVB-T2-Testbetrieb mit HD- und SD-Programmen gestartet.

Wie steht das ZDF zu DVB-T?

Dr_Andreas_BereczkyDr. Andreas Bereczky, ZDF Produktionsdirektor, beantwortete unsere Fragen

Wie steht das ZDF generell zur Terrestrik?

Dr. Andreas Bereczky: Aktuelle Nutzungszahlen (Digitalisierungsbericht 2012) zeigen, dass die digitale Terrestrik (DVB-T)  eine feste Größe im Wettbewerb der Übertragungswege ist und im vergangenen Jahr sogar leicht zugelegt hat. Letzte Erkenntnisse, die während der IFA 2012 in Berlin veröffentlicht wurden, gehen in Ballungsgebieten von einer DVB-T-Nutzung in über 25 Prozent der deutschen Haushalten aus, inbegriffen sind dabei allerdings auch Zweit- und Drittgeräte und sonstige Kleingeräte inkl. DVB-T-USB-Sticks, ein Bereich wo DVB-T traditionell sowieso stark ist. Für den Zuschauer ist der DVB-T-Empfang kostenlos und ohne großen Installationsaufwand nutzbar. Der portable und mobile Empfang von linearen Fernsehinhalten ist ein Alleinstellungsmerkmal der Terrestrik, dies ist mit keiner anderen Empfangstechnik realisierbar.

Die Terrestrik ist außerdem weitgehend unabhängig von Zugangsanbietern, es handelt sich somit um ein Transportmodell ohne Plattformbetreiber. Dies garantiert dem Zuschauer  einen direkten, ungehinderten und ungefilterten Empfang ohne den Einfluss Dritter. Sie ist damit ein Musterbeispiel des unverschlüsselten und diskriminierungsfreien Empfangsweges. Allein schon aus diesen Gründen gilt es, den terrestrischen Verbreitungsweg aufrechtzuerhalten und unter Nutzung aktueller technischer Entwicklungen zukunfts- und wettbewerbsfähig auszugestalten, dazu steht auch das ZDF (siehe auch Antwort zu Frage 3).

Welche Strategie verfolgt das ZDF hinsichtlich der Weltfunkkonferenz 2015, bei der es wieder um die Frequenzzuweisung geht?

Dr. Andreas Bereczky: Auf der Weltfunkkonferenz 2015 ist vorgesehen, dass bisher primär für das terrestrische Fernsehen genutzte 700 MHz Band für andere Dienste zu öffnen und „co-primär“ dem Mobilfunk zuzuweisen. Sollte es zu einer Entscheidung für eine ausschließliche Mobilfunknutzung in Deutschland und benachbarten Ländern im 700 MHz-Band kommen, verlöre der Rundfunk rund ein Drittel seiner bisher für DVB-T genutzten UHF-Kanäle.

International als auch national finden aktuell Abfragen und Studien bzgl. des zukünftigen Spektrums Bedarfs für die jeweiligen Funkdienste statt. Im Rahmen dieser Abfragen – und als klare Positionierung für die Terrestrik –  sieht das ZDF den mittel- und langfristigen Frequenzbedarf für DVB-T2 gleich hoch wie derzeit  bei DVB-T. Während der Simulcastphase (gleichzeitige Ausstrahlung von DVB-T/DVB-T2) kann der Frequenzbedarf in  einzelnen Regionen für einen kurzen Zeitraum aber auch durchaus höher sein.

Sehen Sie für das ZDF mittelfristig ein Einführungsszenario für DVB-T2 in Deutschland und wenn ja, wann? (Das ZDF war ja auch am DVB-T2 Modellversuch Norddeutschland beteiligt)

Dr. Andreas Bereczky: Das ZDF hat sich bewusst an dem DVB-T2-Modellversuch in Norddeutschland beteiligt, um die Möglichkeiten und Varianten des Systems im Detail kennenzulernen. Wir wissen nun u. a., dass uns DVB-T2 in Zusammenhang mit neuen Kodierungsalgorithmen die Möglichkeit bietet, alle Programme der ZDF-Senderfamilie ohne Zeitpartagierung in einem Multiplex zu übertragen und dass gleichzeitig gegenüber DVB-T noch Kosteneinsparungen bei der Ausstrahlung erzielt werden können.
Ziel wird es sein, zu einem gegebenen Zeitpunkt von DVB-T auf DVB-T2 mit einer entsprechenden Simulcastphase verbraucherverträglich auf das neue System umzusteigen. Ein genauer Zeitpunkt für den Umstieg wurde noch nicht festgelegt und auch die genauen Ausstrahlungsparameter sind noch festzusetzen.

Impulse sind erforderlich

Bereits im Juni appellierte die Deutsche TV-Plattform an die Branche, jetzt zusätzliche Impulse für die Weiterentwicklung des Überallfernsehen zu geben. DVB-T sei bei den Zuschauern nach wie vor sehr beliebt. Dies bestätigten aktuelle Verkaufszahlen von Receivern und Set-Top-Boxen und USB-Empfängern. Zudem ist DVB-T bei vielen TV-Geräten serienmäßig integriert. Hervorzuheben ist auch das Engagement der Automobilindustrie, denn in vielen PKW der Oberklasse gehört der Digitalfernsehempfang quasi zum Standard. DVB-T ist der einzige Verbreitungsweg, mit dem digitales Fernsehen unterwegs gesehen werden kann. Dieses einmalige Merkmal des terrestrischen TV-Empfangs erfüllt den Wunsch der Kunden, mobil und flexibel die Angebote des Rundfunks zu nutzen. Durch ein neuentwickeltes automatisches „Handover“ Verfahren konnte dabei der unterbrechungsfreie TV-Mobilempfang zusammen mit der Automobilindustrie weiter erheblich verbessert werden.

„Wer über den weiteren Abbau von Frequenzen bis in das 700 MHz-Spektrum diskutiert, verbaut dem Antennenfernsehen vitale Zukunfts-Chancen“, warnt Dr. Helmut Stein, Leiter der damaligen AG Terrestrik und Vorstandsmitglied der Deutschen TV-Plattform. „Nötig sind jetzt klare Impulse durch konkrete Pläne aller Beteiligten zur Weiterentwicklung der digitalen Terrestrik sowie eine Unterstützung der Bundes- und Landespolitik“. Die Deutsche TV-Plattform appelliert daher an die Entscheidungsträger in der gesamten Wertschöpfungskette, die notwendigen Weichenstellungen zur Sicherung und für den weiteren Ausbau der Terrestrik vorzunehmen – besonders im Interesse der Zuschauer, die das Überallfernsehen schätzen und weiter in Empfangsgeräte investieren. Die ARD will sich zum mittel- und langfristigen Frequenzbedarf in Stellungnahmen und Anfragen bis Ende des Jahres positionieren.

Roland M. StehleAutor: Roland M. Stehle,
freier Journalist

 

 

 

 

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Autor

Recording, Musikproduktion und Schlagzeug zählen ebenso zu meinen Interessen wie Medientechnik und Broadcast. Nach Stationen bei Tonstudio Zuckerfabrik, R&P Showtechnik & Veranstaltungsservice, SWR, WDR und Axel Springer arbeite ich als freiberuflicher Technikjournalist und Medieningenieur. Dabei biete ich Fachartikel, Produktbeschreibungen und Content-Marketing für Verlage und Unternehmen.

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