Das gehackte Smart-TV

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Mit dem Smart-TV kommt das Internet ins Wohnzimmer – und damit die Datensammelei, Grundlage für zahlreiche Geschäftsmodelle des Web 2.0. Die Sendung Plusminus vom 22. April 2015 setzte einen IT-Experten auf ein internetfähiges TV-Gerät an – mit erschreckendem Ergebnis.

Das gekaperte TV-Gerät: Die Sendung Plusminus vom 22.02.2015 dürfte einen Tiefpunkt in den Bemühungen zahlreicher Smart-TV-Hersteller markieren. In der Sendung demonstrierte IT-Sicherheitsforscher Benjamin Michéle, dass er ein Smart-TV-Gerät des Marktführers Samsung hacken und dadurch auf die Webcam und das eingebaute Mikrofon zugreifen kann. Und nicht nur das: Michéle konnte sämtliche Funktionen des Geräts von seinem Laptop fernsteuern. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, äußerte sich im Beitrag entsetzt.

Plusminus berichtete zudem über eine Untersuchung des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht, die zuvor auch die Zeitschrift video 5/2015 aufgegriffen hatte. Das Landesamt untersuchte 13 aktuelle Smart-TV-Geräte verschiedener Hersteller und ermittelte, dass nicht nur Daten empfangen – sondern oft auch verschickt würden, immer mit der individuellen Kennung des Geräts. Die Empfänger der Nutzerinformationen könnten demnach sowohl Geräte-Hersteller, TV-Sender wie App-Store-Betreiber oder Empfehlungsanbieter sein. Nur die Hälfte der Fernseher zeigte bei der Installation Datenschutzinformationen an. Größter Kritikpunkt des Landesamts war laut video die Technik-HbbTV, über die den Sendeanstalten Daten übermitteltet wurden, bevor überhaupt ein Internetzugriff des Zuschauers erfolgte.

Worum es letztlich geht, machte der Beitrag in Plusminus klar: Im Bericht wurde eine Antwort des Herstellers Panasonic zitiert, wonach die Daten erhoben würden, um zielgerichtet Werbung auszuspielen. Adressierbare TV-Werbung steht also im Mittelpunkt des Interesses, wie auch Thorsten Schütter-Gravelaar, Vorstand des Werbevermarkters smartclip AG, auf der New-TV-Konferenz am 24. April in Hamburg erläuterte: „Wir wollen das Fernsehen individualisieren und das Potenzial für unsere Werbetreibenden heben, die das alles am Ende des Tages finanzieren.“ Schütter-Gravelaar führte fort: „Wir haben ein Ad-Framework entwickelt, und damit sehen wir, dass der Fernseher an das Internet angeschlossen ist, wir sehen, dass dieser Nutzer gerade Welt der Wunder anschaut, und wir sehen, was das für ein Nutzer ist.“

Ohne Zweifel äußerst interessant für die Werbeindustrie und sicherlich für die Wirtschaft insgesamt. Doch letztlich stellt sich die Frage: Werden hier geltende Gesetze schlicht missachtet? Und wieso darf das die Industrie ohne Sanktionen? Otto-Normal-Bürger wird doch beispielsweise bei Verkehrsverstößen auch unerbittlich zur Kasse gebeten – und vor dem Gesetz sind doch angeblich alle gleich. Fragen, die die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Andrea Voßhoff rasch beantworten sollte. Schließlich schreitet die Vernetzung rasant voran, und eine lückenlose Erfassung von Nutzerprofilen bis in den letzten Winkel der Privatssphäre durch Smart-TV, vernetzte Armbänder, Social Media und schließlich das vernetzte Zuhause dürfte mittelfristig erhebliche Auswirkungen auf demokratische Grundrechte wie die Meinungsfreiheit haben. Ganz abgesehen von Lappalien wie der informationellen Selbstbestimmung. Was war das gleich?

Und ja: Auch ich habe Google Adsense und Analytics installiert und möchte auch selbst gerne das Web und Smart-TV nutzen. Daher sollten hierzulande geltende Gesetze auch für alle Anbieter gleichermaßen durchgesetzt werden.

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Autor

Recording, Musikproduktion und Schlagzeug zählen ebenso zu meinen Interessen wie Medientechnik und Broadcast. Nach Stationen bei Tonstudio Zuckerfabrik, R&P Showtechnik & Veranstaltungsservice, SWR, WDR und Axel Springer arbeite ich als freiberuflicher Technikjournalist und Medieningenieur. Dabei biete ich Fachartikel, Produktbeschreibungen und Content-Marketing für Verlage und Unternehmen.

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