Schoeps Mikroforum

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Schoeps, Traditions-Mikrofonhersteller aus Karlsruhe, hatte bereits Anfang April in die Karlsburg nach Karlsruhe-Durlach geladen. Gefolgt waren einige hundert Besucher. 15 fachkundige Referenten erläuterten stereofone Aufnahmetechniken, Windschütze, Störgeräusche, Vorverstärker- oder Netzwerk-Technologien.

Neben dem Vortragsprogramm umfasste das Mikroforum eine Messe-Ausstellung und Workshops mit Hörbeispielen am Unternehmenssitz – der nahe der Karlsburg im barocken Stadtteil Durlach liegt. Helmut Wittek, Co-Geschäftsführer von Schoeps, erläuterte die Richtwirkung verschiedener Mikrofonkapseln und deren Bündelungsmaß. Dabei veranschaulichte Wittek die unterschiedlichen Funktionsweisen und Anwendungsfälle der Schoeps-Interferenzrohre CMIT und SuperCMIT sowie der Supernieren-Kapsel MK 41.



Schoeps CMIT-Richtrohre

Betrachtet man das Bündelungsmaß allein, ist das Richtrohr CMIT kaum effektiver als die Superniere. Gerade bei tiefen Frequenzen entfalten Interferenzrohre keine höhere Richtwirkung. Durch den geringeren Anteil hoher Frequenzen im Diffus-Schallfeld könne ein Richtrohr in geschlossenen Räumen oft etwas dumpfer klingen. Hier seien Supernieren meist die bessere Wahl, da sie transparentere Ergebnisse lieferten. Da die Richtwirkung von Interenzrohr-Mikrofonen frequenzabhängig ist – je höher die Frequenz, desto stärker die Richtwirkung – können Richtrohre unerwünscht verfärben, wenn sie nicht akkurat auf den Sprecher ausgerichtet werden. Schoeps, das lange kein Richtrohr im Programm hatte, legte bei der Entwicklung des CMIT 5U sein Augenmerk auf eine gleichmäßig zunehmende Richtwirkung hin zu hohen Frequenzen, um Verfärbungen zu vermeiden. Das SuperCMIT 2 U wiederum blendet mit einer nach hinten gerichteten Nierenkapsel und einer digitalen Signalverarbeitung (siehe unten) laute Umgebungsgeräusche besonders effektiv aus.

Schoeps CCM-ElektronikDie Kleinmembranmikrofone des Unternehmens werden gerne für Fieldrecording und klassische Aufnahmen genutzt. Für beide Anwendungen spielen stereofone Hauptmikrofonverfahren eine wesentliche Rolle. Folgerichtig hatte sich Schoeps von Beginn an in der Entwicklung von mehrkanaligen stereofonen Aufnahmetechniken stark engagiert. Denn gerade auch die Miniatur-Kondensatorserie CCM (Bild oben) eignet sich mit ihrem geringen Gewicht etwa ausgezeichnet für die Atmo-Aufnahme auf einer Angel. Wittek erläuterte die wesentlichen Vor- und Nachteile koinzidenter, also auf Pegelunterschieden basierender stereofoner Aufnahmetechniken wie XY oder MS und den Laufzeit-Verfahren wie AB-Stereofonie. Die Kombination beider Techniken, darin waren sich alle Referenten einig, liefere die besten Ergebnisse hinsichtlich Ortbarkeit und ansprechender Räumlichkeit. Denn rein koinzidente Verfahren überzeugen zwar mit guter Ortbarkeit der Schallquellen, doch der Raumeindruck ist wenig spektakulär.

Einblicke in die Filmtonaufnahme

Andre Zacher, Filmtonmeister, gab spannende Einblicke in seine Arbeitsweise. Er erklärte beispielsweise, warum ihm ein 21:9-Cinemascope-Dreh gut gefällt: Weil er dann mit der Angel von oben näher an den Mund des Schauspielers herankommt. Er bestehe stets auf einem zweiten Angler am Set und versuche diesen notfalls auch zum Praktikantengehalt durchzusetzen. Dies gewährleiste ein exakteres Nachführen bei mehreren Schauspielern sowie ein Backup für den Fall, dass sich eine Aufnahme wegen technischer Störungen nicht  mehr verwenden lässt.

Schoeps SuperCMITDie Angel ist für Zacher ein wesentliches Werkzeug. Er nutzt sie selbst dann, wenn er zusätzlich mit Ansteckern arbeitet. Denn für die anschließende Tonbearbeitung, so erklärte Zacher, ist eine vor Ort aufgenommene Atmo von unschätzbarem Wert. Kein Soundarchiv könne die genau zum O-Ton passende Atmo liefern. Daher lege er höchsten Wert darauf, wenigstens einige Minuten Atmo vor Ort aufzunehmen – und dabei Unterhaltungen oder sonstiges Geräusche der Crew tunlichst zu vermeiden.

Zacher erläuterte die Arbeitsschritte in der Nachbearbeitung. Eine kurze Vormischung auf zwei Spuren dient dem Cutter als Anhaltspunkt für den Filmschnitt. Nach dem finalen Schnitt lassen sich sämtliche Originalspuren recht mühelos mit einer Pro Tools-Funktion wiederfinden – sofern jeder einzelne Track bei der Aufnahme passend benannt wurde. Die Funktion sucht die einzelnen Spuren wie Anstecker, Angel, etc. anhand von Namensähnlichkeiten wieder zusammen. So kann die Tonmischung wieder sämtliches vor Ort aufgenommenes Material verwenden.

Stereofone Aufnahmetechniken

Florian Camerer, Tonmeister beim ORF, legte den Schwerpunkt seines Vortrags auf stereofone Aufnahmetechniken. In seiner markanten Wiener Art erläuterte er die Unterschiede der verschiedenen Verfahren und deren Vor- und Nachteile. In puncto Ortung, Einhüllung, Räumlichkeit liefert jedes Stereoverfahren unterschiedliche Ergebnisse. Koinzidente Techniken mögen eine exakte Richtungsinformation einfangen. Eine beeindruckendere Räumlichkeit liefern jedoch AB-Lautzeitverfahren.

Schoeps ORTFAnschaulich erläuterte Camerer die Unterschiede zwischen dem Öffnungswinkel zwischen den beiden Mikrofonen, dem daraus resultierenden Aufnahmewinkel und schließlich dem Wiedergabewinkel, der sich ergibt, wenn die Aufnahme von einem Lautsprecherpaar im gleichseitigen Stereodreieck wiedergegeben wird. Auch Toningenieure verwechselten immer wieder den Öffnungs- mit dem Aufnahmewinkel. So entspricht ein Öffnungswinkel einer XY-Anordnung von 90 Grad einem Aufnahmewinkel von 180 Grad. Daher ist eine 90-Grad-XY-Anordnung für eine Aufstellung direkt beim Dirigenten ideal, wenn sich das Orchester darum um 180 Grad ausdehnt. Ein größerer Öffnungswinkel habe, anders als oft fälschlicherweise vermutet, einen kleineren Aufnahmewinkel zur Folge – und empfiehlt sich daher für einen größeren Abstand des Hauptmikrofons zum Klangkörper. Ein Spezialfall bedeuteten die Mikrofonverfahren, bei denen der Öffnungswinkel zwischen den Mikrofonen dem Wiedergabewinkel entspreche. Dies sei etwa bei dem von Günther Theile am IRT entwickelten Surround-Aufnahmeverfahren OCT der Fall (Optimized Cardioid Triangle).

Digitale Signalverarbeitung des SuperCMIT

Mit welchen Algorithmen das SuperCMIT im Detail arbeitet, erläuterte Christof Faller von der Firma Illusonic. Das Unternehmen entwickelt sogenannte zeit-frequenzadaptive Algorithmen. Im Unterschied zu einem Noise-Gate, das normalerweise rein zeitadaptiv ab einem bestimmten Audiopegel öffnet oder schließt, funktioniert eine Rauschunterdrückung nach dem zeit-frequenzadaptiven Prinzip: Eine Art Noise-Gate, das jedoch in vielen Frequenzbändern unabhängig arbeitet. Für das Schoeps SuperCMIT 2 U entwickelte Illusonic Algorithmen für das Beam-forming – also um die Richtwirkung des Mikrofons elektronisch zu verstärken. Denn das Interferenzrohr-Prinzip spielt seine Vorteile bei hohen Frequenzen aus. Sobald die Wellenlänge größer als die Länge des Richtrohres ist, entfällt die Richtwirkung des Rohres.



Im SuperCMIT sind zwei Nierenkapseln eingebaut, die genau entgegengesetzt ausgerichtet sind: eine nach vorne, eine nach hinten. Die Kapseln sind so nahe wie möglich beinander angebracht, der Abstand zwischen den Membranen beträgt drei Zentimeter. Für Frequenzen unterhalb von 3 kHz bedeutet dies eine koinzidente Anordnung. Die Algorithmen von Illunsonic formen aus den Signalen der beiden Kapseln eine Vielzahl unterschiedlicher Richtcharakteristiken. Diese fallen über ein weites Frequenzband ideal aus. Mithilfe der Algorithmen kann das SuperCMIT seitlichen und rückwärtigen Schall gegenüber dem CMIT noch einmal stark absenken. Die gewünschte Absenkung lässt sich mit zwei Presets einstellen. Preset 2 blendet rückwärtigen Schall besonders effektiv aus. Die Richtwirkung des SuperCMIT erreicht daher mit Preset eins 11 dB und mit Preset zwei sogar 15 dB.

Schoeps Logo

Störgeräusche bei Mikrofonen

Hans Riekelhof-Böhmer, Mitarbeiter bei Schoeps, erläuterte die unterschiedlichen Ursachen von Störgeräuschen. Niederfrequente Störungen unter 200 kHz würden besonders durch magnetische Felder hervorgerufen. Anders als bei elektrischen Feldern nützt der Kabelschirm hier wenig. Der Klassiker unter den Störungen ist natürlich die Brummschleife in der Höhe der Wechselspannungsfrequenz und deren Vielfachen. Die Ursache sind Ausgleichsströme zwischen Mikrofon und Mikrofonvorverstärker.

Hierfür ist eine saubere Symmetrierung ein wirksamer Schutz, denn die Brummstörungen werden gleichphasig in die Signale eingebracht, die Audiosignale durch die Symmetrierung ja gegenphasig übertragen. Riekelhof-Böhmer zeigte auf, dass für eine gute Symmetrie die Impedanzen der Symmetrieschaltung möglichst exakt gleiche Werte aufweisen müssen. Die Unsymmetriedämpfung (USD) verschiedener Mikrofone hat Riekelhof-Böhmer gemessen. 60 dB seien hier bereits ein guter Wert. Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist eine möglichst geringe Ausgangsimpedanz eines Mikrofons unter 100 Ohm. Die in der Studiotechnik meist verwendete Spannungsanpassung setzt auf einen vielfach höheren Abschlusswiderstand – an dem entsprechend die Spannung abfällt. Hilfe verspricht auch, den Schirm aufzutrennen, sodass die Masse unabhängig von den beiden spannungsführenden Adern verlaufe.

Gegen hochfrequente Störungen durch WLAN, DECT-Telefone, Schaltnetzteile, Powerline-Netzwerke und viele andere EMV-Störquellen schützt die Symmetrierung dagegen nicht. Hier helfen allein der Kabelschirm und HF-Filter, deren Symmetrie wiederum möglichst exakt ausgeführt sein sollte.

Schoeps HF-Impedanzwandler

Helmut Jahne über Mikrofon-Vorverstärker

Auch Helmut Jahne, Mitgründer und seit September 2015 alleiniger Geschäftsführer der Firma Stagetec Entwicklungsgesellschaft für professionelle Audiotechnik mbH, legte seinen Schwerpunkt auf die Elektrotechnik und Signalverarbeitung von Mikrofonsignalen in Vorverstärkern. Er zeigte die Zusammenhänge zwischen dem Schalldruck, der erzeugten Spannung und schließlich dem Spannungspegel auf. Dabei erläuterte er auch die Unterschiede in der Programmdynamik von Kondensatormikrofonen und dynamischen Mikrofonen. Das Kondensatormikrofon liefere aufgrund des eingebauten Verstärkers beziehungsweise Impedanzwandlers etwas höhere Rauschwerte. Zugleich sei der maximale Schalldruckpegel bei einem maximalen Klirrfaktor (THD) geringer als bei dynamischen Mikrofonen. Dynamische Mikrofone seien aufgrund der fehlenden Elektronik robuster. Sie lassen sich ohne eingebauten Impedanzwandler an einem Vorverstärker betreiben. Natürlich liegt der Vorteil der Kondensatormikrofone in ihrer weit geringeren Membranmasse, was sie eben dafür prädestiniert, die Feinheiten eines akustischen Signals aufzuzeichnen.

Jahne, der noch bei der Georg Neumann GmbH analoge Mischpulte entwickelt hatte, bemerkte, dass es ein Fehler gewesen sei, den Headroom von Digitalpulten auf lediglich 15 dBu für 0 dB FS festzulegen. Analoge Pulte hätten üblicherweise eine Aussteuerungsgrenze von 22 bis 24 dBu. Die A/D-Wandler arbeiteten jedoch nur bei Vollaussteuerung ideal. Eine volle Dynamik von beispielsweise 115 dB ließe sich eben nur erreichen, wenn der Wandler bis möglichst 15 dBu ausgesteuert werde.

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Autor

Recording, Musikproduktion und Schlagzeug zählen ebenso zu meinen Interessen wie Medientechnik und Broadcast. Nach Stationen bei Tonstudio Zuckerfabrik, R&P Showtechnik & Veranstaltungsservice, SWR, WDR und Axel Springer arbeite ich als freiberuflicher Technikjournalist und Medieningenieur. Dabei biete ich Fachartikel, Produktbeschreibungen und Content-Marketing für Verlage und Unternehmen.

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Ein Kommentar

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